TEA TALES Art Directors Club Shortlist

KUNDE
Tea Tales ist ein kleines Berliner Unternehmen, das exklusive und umweltfreundliche Teekreationen- und Sorten aus aller Welt vertreibt.
IDEE
Ein Buch als Tee-Etikette.
PROJEKT
Eine Tee Sonderedition, bei der jeder Teebeutel ein Miniaturbuch als Etikett besitzt. Die Kurzgeschichten nehmen inhaltlich Bezug auf die jeweilige Teesorte. Die kleinen Bücher sind genau so lang, wie der Tee ziehen muss. Hat man die Geschichte durchgelesen, ist auch der Tee fertig.
Agentur: Advico Young & Rubicam


Teegeschichte «Detox Day in LA»
Fünf Minuten
Er schaute sie mit seinen glasklaren blauen Augen an. Ein Ozean voller Lust strömte langsam durch ihren ganzen Körper. Plötzlich packte er sie, riss sie an sich und küsste sie leidenschaftlich. Er arbeitete sich mit seinen weichen Lippen langsam zu ihrem Nacken vor und... «Uch», dachte Bebe.
Sie klappte hastig das Buch zu und legte es mit der Vorderseite nach unten auf den kleinen Bistro Tisch vor ihr. Ihre Wangen erröteten, sie schaute sich um.
Ob sie jemand ertappt hatte? Aber das Bistro war leer. Nur der Barkeeper stand hinter dem Tresen und polierte Gläser mit einem entspannten oder gelangweilten Gesichtsausdruck, sie war sich nicht sicher. Nicht so wichtig, zumindest hat es niemand gesehen, dachte sie. Von wegen Hausfrauenlektüre.
«Ich hatte ja keine Ahnung», murmelte sie leise vor sich hin.
Den zerfledderten Roman hatte sie zwischen all den alten Zeitungen, die ihre Mutter so penibel sammelte und aufbewahrte, gefunden. Das Cover sah witzig aus und irgendwie skurril. Das machte sie neugierig und da ihre Mutter den Überblick schon lange verloren hatte, machte es ihr sicher nichts aus, wenn Bebe diesen alten Schinken mal näher unter die Lupe nehmen würde. Sie hatte eine Schwäche für alte Sachen und vor allem für alte Bücher mit komischen Covern.
Mittlerweile besuchte sie ihre Mutter jeden Mittwoch und half die Wohnung in Stand zu halten. Leider sammelte ihre Mutter nicht nur Zeitungen, eigentlich sammelte sie alles. Auch Männer. Die letzten Jahre waren nicht sehr gut. Seitdem die letzte Beziehung mit einem Rosenkrieg endete, begann ihre Mutter sich nicht mehr richtig erholen zu wollen. Sie verliess kaum mehr die Wohnung. Und wenn sie vor die Tür ging, dann brachte sie neue unnütze Sachen mit, die sie irgendwo gefunden oder aufgegabelt hatte und unbedingt behalten musste, weil all diese Sachen lebenswichtig waren. Zumindest für ihre Mutter.
Natürlich hatte Bebe ihr eigenes Leben. Aber sie war ihrer geliebten Mutter für so einiges dankbar: das finanzierte Psychologiestudium, die Wohnung, die tolle Kindheit. Ach einfach Alles. Ihr hatte es nie an irgendetwas gefehlt. Manchmal aber würde Bebe gerne alles hinschmeissen und in einer Nacht- und Nebelaktion einfach Paris verlassen. Au revoir, danke, es war schön, macht es gut, ich bin weg. Wann immer sie darüber nachdachte, bekam sie ein wohlig warmes kribbelndes Gefühl im Bauch, das sie kitzelte und mit einer wunderbaren Energie überflutete. Vielleicht mochte sie genau deswegen dieses neue Bistro. Es fühlte sich anders an. Nicht so sehr nach Paris. Sie konnte nicht erklären, was es genau war, aber es gefiel ihr. Sie bestellte noch einen der leckeren Detox-Tees, die sie hier servierten. Heute würde sie den Tag so gestalten, wie sie will. Alles entspannt angehen. Morgens war sie beim Pilates und danach genoss sie endlich mal wieder ihren Lieblingsspaziergang, den sie so lange nicht mehr gemacht hatte. Über die Port des Artes entlang der Seine, in die kleinen Gassen vom 14. Arrondissement. Dort entdeckte sie dieses Bistro, in dem sie nun sass und keine Anstalten machte zu gehen.
Ratatatam. Die Glastür des Bistros schepperte laut und holte Bebe ganz plötzlich aus ihren Gedanken. Ein Mann stand mitten im Raum, schwarze Turnschuhe, schwarze Jeans, schwarzer Pulli. Seine Kapuze war so tief ins Gesicht gezogen, dass sie es nicht sehen konnte. Sie zuckte kurz zusammen als der Fremde sich umschaute und geradewegs auf sie zukam. Ihr stockte der Atmen. Er nahm einen Stuhl und setzte sich zu ihr. Seine Bewegungen waren aber nicht wie erwartet, harsch oder grob. Er war leise, wie ein Puma. Bebe war erstaunt als der Mann vor ihr seine Kapuze abzog und seine glasklaren blauen Augen sie anstarrten.
«Entschuldigen Sie bitte. Ich wollte Sie wirklich nicht erschrecken. Wissen Sie, ich habe es ein bisschen eilig. Würde es Ihnen was ausmachen, dass ich Ihnen für eine Tee-Länge Gesellschaft leiste?» Bebe war immer noch irritiert. Wahnsinn, wie kann ein Mensch so unglaublich blaue Augen haben, dachte sie. Er war in ihrem Alter und sie musste gestehen, dass er nicht gerade schlecht aussehend war. Trotz seiner Manieren.
«Ähm naja, Sie sitzen ja schon», zischte sie.
Er schmunzelte: «Da haben Sie Recht. Bitte entschuldigen Sie mein Benehmen, normalerweise bin ich nicht so unhöflich. Oh, was lesen Sie da, darf ich mal sehen?» Als er gerade nach dem Buch greifen wollte, fiel es Bebe wieder ein. Verdammt, sie hatte das Buch völlig vergessen. Der Fremde hatte sie so überrumpelt, dass sie gar nicht mehr dran gedacht hatte. Es lag vor ihnen auf dem kleinen Bistro Tisch. Direkt und unmittelbar. Sie machte eine hastige Bewegung und liess es gekonnt in ihre Tasche fallen. «Ach das, nicht gut. Kann ich nicht empfehlen.» Ihre Wangen wurden rot und sie wich vor lauter Scham den Blicken des Fremden aus. Aber der verzog keine Miene: «Sie sehen sehr schön aus mit Ihren roten Wangen und Ihrem roten Mund. Sie sind eine schöne Frau.»
«Echt? Sie stürmen hier rein und machen mich so klischeehaft an. Einfach so, ganz ohne Reue? Irgendwie plump, finden Sie nicht?» sagte sie, aber gedacht hatte sie etwas völlig anderes. Wie er es gesagt hatte, so naja, so schön ehrlich. Geradewegs heraus. Aber das war typisch für sie. Das war schon immer so. Mit Komplimenten konnte sie einfach nicht gut umgehen. Als sie gerade ansetzen wollte um etwas Nettes zu sagen, sah sie zwei Uniformierte vor dem Fenster des Bistros stehen.
«Ich denke, da sucht Sie jemand», flüsterte sie dem Fremden in einem lieblichen Ton zu, so als würden die beiden sich schon lange kennen. Als würden sie das immer machen. Das mit dem liebevollen Flüstern. Er beugte sich über den Tisch, ihre Wangen berührten sich.
«Bitte, bitte verstehen Sie mich nicht falsch. Ich meinte das eben ehrlich und glauben Sie mir, ich...» Bevor er den Satz beenden konnte, küsste Bebe den Fremden. Auf einmal umgab eine wunderbare Stille die beiden. Eine Endlosigkeit, die sich noch nie so leicht angefühlt hatte. Als sie ihre Augen wieder öffneten, bemerkten sie nicht, dass die zwei Uniformierten längst fort waren und der Mond die Sonne begrüsst hatte.
«Du hast schöne rote Wangen und einen schönen roten Mund», sagte sie. Der Fremde stand auf: «Danke...»,
«Bebe, also ich meine Beatrice. Mein Name ist Beatrice.»
«Danke Beatrice, ich hoffe wir sehen uns wieder. Vielleicht in der Stadt der Engel. Leider muss ich jetzt gehen, wie du weisst, bin ich in Eile. Es hat mich sehr gefreut, Bebe.»
So schnell wie er gekommen war, so schnell war er verschwunden. Wie eine Katze, die nur ihre Spuren im weissen Schnee hinterlassen wollte. Draussen war es dunkel geworden. Bebe sass immer noch auf ihrem Stuhl in diesem sonderbaren Bistro, das ihr so gefiel. Sie sollte öfters herkommen, dachte sie und konnte sich das breite Grinsen auf ihren roten Lippen kaum verkneifen. Sie nahm ihre Jacke und schlenderte durch die dunklen Gassen nach Hause.
Hinter ihr leuchtete noch lange das Reklameschild des Bistros «Welcome to LA».